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Planerwerkstatt Dorf Mecklenburg

9. Planerwerkstatt
2. und 3. Juni 2008

Die Teilnehmer begaben sich auf die die Suche nach dem Ursprung des Landes Mecklenburg. Schon der Name ,Dorf Mecklenburg' am Ortseingangsschild der kleinen Gemeinde im Landkreis Westmecklenburg verrät dem auf der Bundesstraße 106 Durchreisenden seine historische Bedeutung.

Zwischen Wismar und der Landeshauptstadt Schwerin gelegen, verleitet der Ort leider kaum einen Reisenden zum Verweilen, obwohl er doch einiges zu bieten hat. So ist das Bodendenkmal der Slawenburg im Dorf Mecklenburg, nach der das Land Mecklenburg benannt wurde, der größte kulturhistorische Schatz der Region. Heute ringt die Gemeinde darum, ein touristischer Anziehungspunkt des Landes zu werden und die besondere historische Bedeutung der Burg Mecklenburg mit ihrem landschaftlichen Reiz besser in Szene zu setzen.
 

„Die Beziehung meiner Eltern begann im strömenden Regen. Auf einem Parkplatz in Dorf Mecklenburg, einem kleinen Kaff zwischen Wismar und Schwerin. Eine Mühle steht dort, die in den sechziger Jahren zu einem Restaurant ausgebaut wurde. Meine Eltern sind nicht besonders sentimental, aber wir haben später oft dort gehalten, wegen des guten Essens in der Bauernstube und wohl auch, weil dieser Ort der Beginn von allem war. Mir gefiel es in Dorf Mecklenburg, weil es ein paar kleine Käfige gab hinter der Mühle, in denen Schweine gehalten wurden, ein alter Bernhardiner und ein Pfau."

Was kann es schöneres für einen Ort geben, als Ausgangspunkt einer Liebesgeschichte zu sein? Der aus Schwerin stammende Schriftsteller Gregor Sander verlegt in seinem Roman „abwesend" das erste Rendezvous der Eltern seines Erzählers in das Dorf an der B 106 - und stellt damit eine unsichtbare Verbindung zum Ursprung Mecklenburgs her. Denn in Dorf Mecklenburg stand einst die „Mechelenburg", jene slawische Obotriten-Burg, die 965 erstmals erwähnt wurde.

Unter der Leitung des Vizepräsidenten der Architektenkammer M-V, Dr. Peter Hajny, wurde dieses Dorf Mecklenburg Gegenstand der 9. Planerwerkstatt. Über 25 Architekten, Ingenieure und Planer haben sich an dem zweitägigen Workshop im Juni 2008 beteiligt. Dr. Hajny betonte in seiner Eröffnung das gute Zusammenwirken der drei Veranstalter bei der Vorbereitung der Planerwerkstatt: die Architektenkammer, die Gemeinde und der Regionale Planungsverband Westmecklenburg. So erklärte Frau Dr. Hoffmann, Leiterin der Geschäftsstelle des Regionalen Planungsverbandes, dass die Entwicklung und Vermarktung der „Wiege Mecklenburgs" ein wichtiger Beitrag zur Regionalentwicklung der Planungsregion ist.

Die Planerwerkstätten der Architektenkammer werden seit 2000 durchgeführt, um Orten und Regionen planerische Impulse und Ideen zu geben. Ziel sei es dabei, wie Joachim Brenncke, Präsident der Architektenkammer M-V, betonte, dass Architekten und Planer vor Ort mit den Verantwortlichen, mit Bürgermeistern und Gemeindevertretern ins Gespräch kommen und ihr „geistiges Rüstzeug" für Visionen bereitstellen. Es gehe darum, Chancen zu entwickeln, betonte auch Sebastian Schröder, Staatssekretär des Ministeriums für Verkehr, Bau und Landesentwicklung M-V. Das Dorf befinde sich in prominenter Lage zwischen der Weltkulturerbestadt Wismar und der Landeshauptstadt Schwerin und biete gerade in seiner Historie große Potentiale.

Vor der Analyse der Probleme und Chancen des Ortes stand zunächst die Bestandsaufnahme. Bürgermeister Peter Sawiaczinski erzählte die Erfolgsgeschichte von Dorf Mecklenburg. Zu DDR-Zeiten sei der Ort ein Vorzeigedorf der sozialistischen Landwirtschaft gewesen - mit dem obligatorischen Plattenbau im Ortskern. Nach 1989 habe man sofort auf die Ansiedlung von Handwerk und Gewerbe gesetzt. Eine Rechnung, die aufging: Schon 1993 verzeichnete man mehr als 200 Gewerbeanmeldungen. Heute hat Dorf Mecklenburg eine intakte Infrastruktur, Ärzte und eine Apotheke sind vor Ort. Eine neue Sport- und Mehrzweckhalle wurde 1994 bis 1995 errichtet, sie wird von der Schule und den Vereinen des Ortes genutzt. Die Bevölkerungszahl stieg von gut 2.700 im Jahr 1989 auf gut 3.000 im Jahr 2007.

Bei allen Erfolgen ist das Hauptproblem von Dorf Mecklenburg aber die Außenwahrnehmung. Wenn Gregor Sander seine Figuren durchs Dorf fahren lässt, dann nehmen sie außer dem Restaurant und dem Streichelzoo nichts weiter wahr. Das, was Dorf Mecklenburg auszeichnet und einzigartig macht, ist weitgehend unsichtbar. Der historische Burgwall ist von der Straße aus allenfalls als bewaldeter Hügel erkennbar, die Burg wurde bereits 1322 geschleift. Der idyllische Wallensteingraben ist kaum erschlossen, das Dorfmuseum unbekannt. Dabei ist Dorf Mecklenburg ein wertvolles Stück Kulturgeschichte, wie Dr. Frank Nikulka vom Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege darstellte. Denn der Burgwall ist ein Zeugnis für die Baukunst der Slawen, er offenbart dem Archäologen ausgeklügelte Techniken der Stabilisierung und Aufschüttung, die bereits im 8. Jahrhundert Anwendung fanden. Außerdem seien Formen der Besiedlung der Region von der slawischen Burg bis hin zur Kirche mitten im Ort nachvollziehbar. Die archäologische Erschließung und Dokumentation begann Mitte des 19. Jahrhunderts und wurde durch Ausgrabungen und Konservierungen im 20. Jahrhundert fortgesetzt. Eine archäologische Apokalypse ereignete sich dann im Jahr 1978, als das Vorburgareal mit Eigenheimen bebaut wurde - „ohne Dokumentation", so Nikulka. Im Klartext: Die Häuschen wurden auf die Gebeine der Vorväter gestellt, die laut zeitgenössischen Berichten allenthalben in den Baugruben herumlagen. Wolf Karge vom Museumsverband M-V bemerkte in Bezug auf das Kreisagrarmuseum, dass es derzeit kein historisches Landesmuseum für die Geschichte Mecklenburgs gebe. „Warum nicht Landesgeschichte am authentischen Ort darstellen?", warf Karge als visionäre Frage auf und empfahl den Weg „vom Spatenmuseum zum Spartenmuseum". Ein touristisches Alleinstellungsmerkmal machte Claus Müller vom bab Büro für Architektur und Planung im allerdings noch nicht erschlossenen Wallensteingraben aus.

Derart präpariert schwärmten die Teilnehmer des Workshops aus und präsentierten am zweiten Tag der Planerwerkstatt ihre Ergebnisse in drei Schwerpunktbereichen: Entwicklungsstrategien für die Gemeinde, Umgang mit dem Burgwall, Dorfgestaltung im Sinne einer touristischen Wegeführung. Der Tenor der Beteiligten war relativ eindeutig: Der Burgwall muss als historisch relevanter Ort erkennbar werden, der ganze Ort braucht eine touristisch attraktive Infrastruktur. Was plausibel klingt, stellt aber die Ortsväter vor große Probleme. Denn zum einen würde das bedeuten, dass der beachtliche Baumbestand auf dem Wall weichen müsste. Zum anderen müsste der Friedhof, der sich im Herzen der Wallanlage befindet, umgebettet werden, weil er sich nicht mit einer touristischen Nutzung verträgt. Allein für seine Verlagerung müssten selbst bei sensiblem Vorgehen lange Zeiträume veranschlagt werden. Architekt Hans Giger warnte dabei vor allzu schreckhaften Reaktionen: „Was wir uns heute vorstellen, klingt radikal. Aber: eine Idee kann wachsen. Denken Sie in Generationen, nicht nur für die nächsten zehn Jahre!"

Von der Arbeitsgruppe 1 „Entwicklungsstrategie" wurden denn auch entsprechende Leitlinien für die nächsten Jahre formuliert: Diese sehen den Ausbau einer touristischen Achse vom Wall über die Kirche zum Bahnhof und bis in den Ortskern vor. Ein Landesmuseum für Planerwerkstatt Dorf Mecklenburg: Die Teilnehmer der Planerwerkstatt auf einem Rundgang durch das Planungsgebiet. Mecklenburg sollte sich im Ort etablieren, auch sollten Grünräume mehr als bisher ins Ortsbild integriert werden. Unerlässlich sei die Erschließung des Wallensteingrabens mit seiner prominenten Biegung im Südwestteil des Ortes und sein Ausbau zu einem touristischen Ziel mit Gastronomie und Aussichtsplattform. Angeregt wurde zudem die Kenntlichmachung der historischen Struktur des Ortes etwa durch einen „Geschichtsweg". Generell regte die Arbeitsgruppe eine Stärkung der Südlinie des Ortes an und empfahl einen Rundwanderweg für Fußgänger und Radler nicht zuletzt zur Vernetzung der Ortsteile. In diesem Sinne sollte auch ein zentraler Parkplatz mit Möglichkeiten der Information geschaffen werden - nach Vorstellung dieser Arbeitsgruppe direkt neben dem Museum. Ein bedeutendes Potential für die Entwicklung des Ortskernes stellt die öffentliche Nutzbarmachung der Kirchenscheune dar. Arbeitsgruppe 2 skizzierte drei Burgwall-Entwicklungsphasen mit einer Laufzeit von insgesamt zirka 30 Jahren. In Phase eins solle ein neuer Friedhof in einem nördlichen Ortsteil eingerichtet werden. Sodann solle der Burgwall von Bäumen befreit werden, um die historischen und nicht unattraktiven Sichtachsen wieder herzustellen. Aussichtspunkte sollten durch eine neue Treppe auf den Wall erreichbar gemacht werden. Der viel zu kleine Parkplatz am Fuß des Walls sollte rückgebaut und östlich an den Bahngleisen als Park- und Eventplatz etabliert werden. Einen zentralen Info-Punkt sah diese Arbeitsgruppe in der ungenutzten Pfarrscheune. In Phase zwei sollte das Museum gestärkt werden. Überlegenswert sei die Verlagerung von Gewerbeflächen aus dem Ortszentrum, um Platz zu schaffen für ein Landesmuseum und gleichzeitig die Ansiedlung des kulturellen Lebens in der Ortsmitte und damit auf der Ostseite der B 106. Phase drei schließlich sieht die Aufwertung und öffentliche Nutzung des Gutshauses am Wallensteingraben inklusive Einrichtung einer Raststelle zum Beispiel für Wasserwanderer vor.

Der touristischen Wegeführung als Thema der Arbeitsgruppe 3 widmeten sich die jüngsten Teilnehmer der Planerwerkstatt - Studierende der Hochschule Wismar. Sie empfahlen die Erstellung eines touristischen Leitbildes und eines Marketingplanes. Auch ein Motto wurde mitgeliefert: „Dorf historisch erleben". Vorrangiges Ziel sei es zunächst, die in der Regel mit dem Auto anreisenden Touristen standesgemäß zu empfangen. Drei Parkplätze sollten ausreichend Raum für Besucher bieten, auf den Parkplätzen sollten weithin sichtbare Infotafeln oder Flyer- Boxen untergebracht werden. Auf diese Weise könne man des schier unüberschaubaren Schilderwaldes im Ort Herr werden. Sodann müsse die Topografie des Ortes erfahrbar werden. Konkret bedeute das, drei Aussichtspunkte einzurichten, von denen aus die Gegend zum Beispiel durch fest installierte Ferngläser betrachtet werden kann. Anbieten würden sich demnach Plattformen am Burgwall, am Museum und am Leutenberg am südwestlichen Rand des Dorfes. Für Radfahrer sollten entsprechende Wege ausgebaut werden, für Erlebnishungrige ein Natur- und Erlebnispfad vom Ortskern hin zum Burgwall. Wünschenswert sei beispielsweise ein Campingplatz am Wallensteingraben, wo schließlich auch dem Museum zu neuem Glanz verholfen werden sollte - mit einem „Sinnesweg" entlang dem Wallensteingraben, einem Versuchsacker zur Veranschaulichung landwirtschaftlicher Arbeit und Exponaten, die angemessen in Szene gesetzt sind.

Die Vertreter des Dorfes, allen voran der Bürgermeister, zeigten sich überrascht angesichts des Einfallsreichtums und der Kreativität der Planer. So viel versprach Peter Sawiaczinski: Die Ideen der Planer werden nicht in irgendeiner Schublade verschwinden. Die Vorschläge mögen visionär sein und ihre Umsetzung viel Durchsetzungsvermögen und Überzeugungskraft verlangen. Doch: „Wer nicht träumt, wird das Reale nicht erreichen."

Für die Teilnehmer der 9. Planerwerkstatt hat sich die Mitarbeit allemal gelohnt. „Es ist gut, andere Architekten kennen zu lernen und mit ihnen gemeinsam zu arbeiten", sagten Nadine Kröger und Melanie Korinth, Architekturstudentinnen aus Wismar.

In seinen abschließenden Worten dankte Dr. Peter Hajny im Namen der Architektenkammer den Veranstaltern für die Unterstützung bei der Durchführung der Planerwerkstatt und den Teilnehmern für die vielfältigen Ideen. Er verband damit auch die Hoffnung, dass die Ergebnisse Grundlage für zukünftige Planungsentscheidungen der Kommune werden.

Matthias Schümann

 
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