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Kolumne Baukultur #4

Smart, smarter, Smart Home?
Warum Technik keine gute Architektur ersetzt

von Anne-Sophie Woll 

Alles wird intelligenter: Die Smartphones, die Autos, die Häuser. Wir brauchen keinen Schlüssel mehr, um die Haustür aufzuschließen, keinen Handgriff, um die Fenster zu verschatten und wenn wir möchten, sagt uns unser Kühlschrank, was wir einkaufen sollen. Die Lösung für alles heißt „smart“: Sei smarter, baue smarter, lebe smarter. Aber ist das gut?


Es steht außer Frage, dass der technische Fortschritt in nie dagewesenem Maß die Nutzungsqualität von Bauwerken positiv beeinflussen kann und dabei eine hervorragende Ergänzung zu rein baulichen Maßnahmen in der Planung darstellt und neue Themenfelder erschließt. Ein Beispiel hierfür sind die Plusenergiehäuser, deren Effizienz im Wesentlichen durch technische Komponenten gewährleistet wird. Gleichzeitig muss man feststellen, dass Technik oft eingesetzt wird, die bei einer ganzheitlichen Planung kaum notwendig geworden wäre.
Wollen wir intelligente Planung durch intelligente Technik ersetzen? Nein! Wir wollen intelligente Planer und Planerinnen, die die Technik einbetten, wenn sie zu einem klaren Mehrwert führt und nicht zu einem Ausgleich für unzureichende Planung. Wir wollen Technik, die dem Menschen dient und ihn nicht vertritt. Aber wie kann das gelingen? Eine Antwort darauf versucht seit Ende der 1990er Jahre der Ansatz der Low-Tech-Gebäude zu geben. Dabei beruft er sich auf die Kernkompetenz der Architektur: Einfache Lösungen für komplexe Anforderungen zu finden. Der Anspruch besteht darin, hocheffiziente Gebäude zu entwickeln, die durch schlichte, dauerhafte und ressourcenschonende bauliche Komponenten die Nutzerbedürfnisse erfüllen. Dabei werden sämtliche Elemente in ihrem gesamten Lebenszyklus betrachtet, wodurch beispielsweise natürlichen Materialien der Vorzug gegeben wird. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den lokalen Gegebenheiten, um vor allem die Gebäudehülle klimatisch optimal anzupassen. Auf diese Weise kann der Einsatz der Technik stark reduziert werden. Die verbleibende Technik wird so gewählt, dass sie wartungsarm ist und die Bedienung nutzerfreundlich. Die Baukonstruktion wird hinsichtlich ihrer Dauerhaftigkeit, im Sinne von guter Sanierbarkeit und Flexibilität, überprüft. Das Thema der Systemtrennung spielt dabei eine Rolle, denn die Haltbarkeit einer Betondecke ist letztlich nicht viel länger als die Lebensdauer des darin eingelassenen Lüftungsrohres! Die Wirtschaftlichkeit über die gesamte Lebensdauer ist ein zentrales Thema der Low-Tech-Gebäude und wird in der Planungsphase nachgewiesen. Worin bestehen die Vorteile eines Low-Tech-Gebäudes? Für viele Planer und Planerinnen besteht der Mehrwert darin, sich mit Themen zu beschäftigen, die den meisten wirklich Freude bereiten. Man setzt sich weniger mit Technik auseinander, dafür intensiver mit den bewährten Mitteln der Architektur: mit der Anordnung der Räume, mit Fenstergrößen und Materialeigenschaften, um z.B. eine Aussage zum Innenraumklima zu machen. Der Nutzer erhält ein Gebäude, das einfach zu verstehen und zu nutzen ist, sowie durch die Langlebigkeit einen stabilen Wert aufweist und ohne schlechtes Gewissen an die nächste Generation vererbt werden kann.
Smart, smarter, Smart Home? Der Low- Tech-Ansatz beweist, dass es auch anders geht: Weniger Technik für mehr Nachhaltigkeit durch intelligente Architektur. Je mehr Raum wir der Gebäudetechnik überlassen, desto weniger Gestaltungsspielraum bleibt den Planern und Planerinnen sowie den Nutzern und Nutzerinnen. Erobern wir uns die Intelligenz der Gebäude zurück! Seien Sie smart im besten Sinne!

 
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