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Kolumne Baukultur #3

Vom Luxus des Notwendigen
Was Bio-Lebensmittel und gute Planung gemeinsam haben



von Anne-Sophie Woll

Warum greifen wir an der Kühltheke häufig zu den Produkten, von denen wir wissen, dass sie uns oder der Umwelt nicht so guttun? Das preiswerte Kotelett für den Grillabend. Die uniformierten Tomaten aus Übersee für das Mittagessen. Der Joghurt eines fragwürdigen Großkonzerns für das Frühstück. Alle diese Produkte erfüllen ihren Zweck – für mich und in diesem Moment. Aber darf ich das nur für mich entscheiden und für diesen Moment?

Jetzt fragen Sie sich, was Ihr Einkauf mit der Planung von Landschaftsarchitektur, Innenarchitektur, Architektur und Städtebau zu tun hat? Wer für das Kotelett und wer für die Tomaten verantwortlich ist? Auf die erste Frage kann ich eine Antwort geben, für die zweite sind Sie zuständig.
Ich behaupte, dass wir alle auf der ständigen Suche sind nach dem, was wir alles HABEN könnten. Aber ehrlich, haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt, was Sie wirklich BRAUCHEN?
Wenn ich durch die Städte und Dörfer gehe und die „Auslage“ an Bauprojekten aus der Nähe betrachte, dann stellen sich mir unweigerlich die Fragen: Brauchen wir das? Oder haben wir gedacht, es wäre einfach gut, das alles zu haben? Es fängt im Großen an und hört im Kleinen auf. Benötigen wir das neue Gewerbegebiet? Muss es ein Neubau aus Stahlbeton sein oder hätte eine kluge Sanierung zum gleichen Ziel geführt? Brauche ich die durstigen Hortensien im Garten oder gibt es eine einheimische Alternative?
Ich wage zu sagen, dass alle Planungsbereiche gut daran täten, häufiger nach dem NOTWENDIGEN zu sehen, und nicht nach dem MÖGLICHEN. Denn die Auseinandersetzung damit, was eine Bauaufgabe wirklich braucht, führt unweigerlich zu einer Qualitätssteigerung. Wo es weniger um Quantität geht, ist mehr Geld und Zeit für Qualität. Qualität braucht es, wenn wir über den Moment hinausdenken wollen, wenn wir endlich in Lebenszyklen planen und nicht mehr in Einbahnstraßen. Doch dafür müssen wir uns bewusst entscheiden. Ein guter Planer oder eine gute Planerin kann dabei helfen, das Mögliche von dem Notwendigen zu unterscheiden. Die Bezeichnung ‚notwendig‘ bezieht sich in diesem Fall nicht nur auf mein tägliches Brot, sondern auf das tägliche Brot von uns allen – auch in der Zukunft. Ist dieses Kriterium gesetzt, ist es sicher nicht die preiswerte, umweltschädliche Dämmung, die an der Wand landet. Es sind nicht die uniformierten Fertighäuser in der nächsten Einfamilienhaussiedlung, die entstehen. Und die Zusammenarbeit mit Firmen mit fragwürdiger Firmenphilosophie wäre ebenso Geschichte.
Es braucht eine ganzheitliche Planung für eine nachhaltige Zukunft des Bauwesens und das ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Die Gründe dafür sind hinreichend bekannt. Wenn wir die wahren Kosten für die Produkte an der Supermarktkasse bezahlen müssten, würden wir schon heute alle in den Bioladen gehen. Wenn wir die wahren Ausgaben des Planens und Bauens schon jetzt finanzieren müssten, würde eine gute Planung nicht als Luxus, sondern als Notwendigkeit betrachtet werden. Es muss nicht sofort alles bio sein. Aber ein bisschen weniger Kotelett und dafür ein paar mehr Tomaten aus dem Garten würden uns allen guttun. Leisten wir uns doch häufiger den „Luxus“, uns auf das Notwendige zu konzentrieren. Vielleicht wird dann jeder von uns vom Tütenträger zum Verantwortungsträger, wenigstens für den Moment.
Wann steht Ihr nächster Einkauf an?

 
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