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Kolumne Baukultur 7#

Vom Ende her denken
Die Rolle der Kreislaufwirtschaft in der Architektur

von: Anne-Sophie Woll

Es bewegt sich etwas. Angestoßen von den Krisen und Mängeln unserer Zeit scheint ein Wandel einzusetzen. Mitten im Geschehen müssen wir uns positionieren: die Akteure der Baubranche sowie die Architekturschaffenden. Wir sollten erkennen, welchen Anteil und welche Chancen wir haben.

Kommen wir zu den Anteilen. Auf vielen Ebenen ist die zeitgenössische Architektur ebenso selbstverständlich wie banal geworden. Der meistgenannte Vorwurf ist, dass ihr vielerorts Identität und Authentizität fehlen. Nebenbei ist der Bau- und Betrieb von Gebäuden für die Hälfte der Treibhausgase weltweit verantwortlich und das Baugewerbe steht vielfachen Herausforderungen gegenüber: Es fehlt an Baustoffen, Fachleuten und Geld. Wir werden uns der Grenzen unserer planerischen Möglichkeiten, der Endlichkeit unseres Wirkungsgrades bewusst. Eins ist klar: So wie bisher geht es nicht weiter.

Doch wie könnte der Wandel gestaltet werden? Eine mögliche Antwort lautet: Urban Mining oder Kreislaufwirtschaft. Urban Mining bezeichnet dabei die Erkenntnis, dass vor allem unsere gebaute Umwelt eine unübersehbare Rohstofflagerstätte ist. So wird jedes Bauvorhaben nicht nur zum Verbraucher von Ressourcen und Energie, sondern kann zu einem späteren Zeitpunkt ebenso zum Lieferanten wichtiger Rohstoffe werden. Der Einsatz von Baustoffen und -teilen mit Geschichte und die Zuweisung einer neuen Bestimmung hat viele Vorteile: Die Lücke zwischen Alt- und Neubau, zwischen Modernität und gewachsenen Strukturen kann formal und konstruktiv geschlossen werden und damit zu mehr Authentizität und Akzeptanz führen. Die Kreislaufwirtschaft erkennt die Endlichkeit der verfügbaren Materialien an und motiviert dazu, sie bewusster einzusetzen und dadurch Emissionen einzusparen. Das Prinzip kann durch die intensive Einplanung vorhandener Ressourcen auch ökonomische Kräfte bündeln und finanzielle Belastungen mildern.

Dabei geht es nicht darum, Nachhaltigkeit in altbewährte Strukturen zu übernehmen, sondern Strukturen zu entwickeln, die Nachhaltigkeit als selbstverständliches Prinzip der Gestaltung, des Bauens und Lebens integrieren. Denn genau hieran scheitert es häufig: Nachhaltigkeit wird gleichgesetzt mit Verzicht oder Einschränkung, mit einer zusätzlichen Pflicht auf dem Weg zum Ziel.

Wenn wir Nachhaltigkeit nicht als zusätzliche Pflicht, sondern als Grundgerüst verstehen, nicht als nettes Add-On in Form einer Dachbegrünung, sondern als Trag- und Gestaltungsstruktur, dann sind wir auf dem besten Weg den Bausektor in die Zukunftsfähigkeit zu führen. Die Kreislaufwirtschaft bietet darüber hinaus die Chance, unserer Gestaltung eine neue ästhetische Tiefe zu geben und gleichzeitig Verantwortung zu übernehmen. Das Urban Mining ist dabei ein bisschen wie die Lebenszeit, die überall ihre Spuren hinterlässt: In der Konzeption, Konstruktion und Gestaltung. Es ist das Eingeständnis der notwendigen Wandelbarkeit aller Strukturen.

Beim Bau eines Gebäudes schon den Abriss vorzusehen, war lange Zeit ein echter Fauxpas. Heute ist es die Chance über die eigene Endlichkeit als Planender hinaus zu denken und der gebauten Umwelt eine Spur Unendlichkeit zu verleihen. Bleiben wir also mitten im Berufsleben einmal stehen und sehen der unaufhaltsamen Veränderung des Planens und Bauens ins Gesicht!

 
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