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Architektenkammer

Mecklenburg-Vorpommern
Alexandrinenstraße 32
19055 Schwerin
Bundesrepublik Deutschland

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Literaturhaus Uwe Johnson

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Fertigstellung 2006
Architekturpreis:
Auftaktort Tag der Architektur in M-V 2008

Literaturhaus Uwe Johnson mit Kinderbibliothek und Infocenter
Im Thurow 14
23948 Klütz
über das Projekt:
Das Literaturhaus Uwe Johnson wurde im Jahre 2008 von der  Architektenkammer M-V zum Auftaktort für den Tag der Architektur gewählt.

Literaturhaus Uwe Johnson
Nach zwei Jahren Sanierungsarbeit konnte der umgebaute Speicher im April 2006 seinen neuen Nutzern übergeben werden. Der Speicher ist Forum für kulturelle Aktivitäten und beherbergt eine Dauerausstellung über den deutschen Schriftsteller Uwe Johnson, der von 1934 bis 1984 lebte.
Der im 19. Jahrhundert errichtete und denkmalgeschützte Getreide-Speicher im Zentrum der Stadt Klütz stand seit über 15 Jahren leer. Mit der Sanierung und Umnutzung wurde der Speicher als wichtiges ortsprägendes Gebäude neu belebt. Die Stadt Klütz ist Eigentümer und Nutzer des Hauses.
In den unteren Räumen befinden sich heute Bibliothek, Garderobe und Stadtinformation mit kleinem Bistro-Bereich. In den oberen Räumen wurde die Ausstellung zum Schriftsteller Uwe Johnson mit einem kleinen Vortragsraum untergebracht.
Das Haus ist überregional mit anderen Literaturhäusern verbunden. Lesungen, Diskussionen, Vorträge und Filmvorführungen, auf den Schriftsteller bezogen, bilden das Rahmenprogramm. Veranstaltungen zu  aktuellen Themen ergänzen das Angebot. Die Region um die Stadt Klütz hat mit dem Literaturhaus einen kulturellen Mittelpunkt bekommen, dem sowohl von der Qualität seiner Veranstaltungen als auch vom hohen Niveau seiner Architektur und der der Innen- und Ausstellungsarchitektur besondere Aufmerksamkeit gebührt.

Der Schriftsteller Uwe Johnson
20.07.1934 geboren in Cammin in Pommern; heute Kamiè Pomorski in Polen
1945 Flucht nach in Mecklenburg
1959 Umzug nach Westberlin
Johnson lebte später in den USA und England.
24.02.1984 gestorben in Sheerness-on-Sea, Kent in England.
Die deutsch-deutsche Teilung seiner Heimat ist Gegenstand des literarischen Schaffens von Uwe Johnson.

Die Innen- und Ausstellungsarchitektur
Die Ausstellung zu Uwe Johnson und der Ausstellungsansatz, dem Betrachter über die Texte hinaus etwas über seinen Charakter zu vermitteln prägt die Innenarchitektur des gesamten Hauses und die Ausstellung im Besonderen. Zurückhaltende Inszenierungen geben dem Besucher Deutungshilfen und diesem Literaturhaus etwas Charakteristisches. Die Innenarchitektur ist so wunderbar erfrischend in dem altehrwürdigen fantastisch sanierten Bau. Farben, Design und Materialien berühren und faszinieren.
Die Ausstellungseinbauten wurde eigens für diese Thematik, für das Haus und den Ort entwickelt. Das Grundprinzip des eigenen Agierens unterscheidet diese Ausstellung von vielen anderen. Der Informationsgehalt ist sehr hoch. Um den Besucher nicht mit riesigen Texttafeln zu ermüden, haben die Innen- und Ausstellungsarchitekten Systeme entwickelt, die dazu auffordern, sich selbst Informationen zu holen. Spannende Konstruktionen ermuntern, an ihnen zu drehen. Die Faszination hierüber lenkt jedoch keineswegs vom Inhalt der Ausstellung ab. Im Gegenteil, sie trägt sie in mehrfacher Hinsicht!

Die Architektur
Der Speicher wurde denkmalgerecht saniert, fast alle historischen Teile blieben erhalten. Fassade, Dach und innere Holzkonstruktion wurden erhalten. Luken, Klappen, Rollen, Kranbalken und Stahlfenster wurden aufgearbeitet oder nach Originalbefunden nachgebaut. Geschichtsspuren wurden erhalten. Auf Trittschalldämmung und Brandschutz in den Geschossdecken wurde verzichtet. Das ermöglichte die Beibehaltung der von unten und oben sichtbaren Holzfußböden des Speichers. Der Brandschutz wird durch Alarmsysteme gewährleistet.
Als neue Teile stehen selbstbewusst:
- die raue Betonscheibe, die sich über eine Höhe von drei Geschossen erstreckt hinter der alle notwendigen neuen Nebennutzungen wie Treppe, Toiletten, Heizung und Nebenräume liegen
- der Turm, gestaltet als rauer Beton-Fahrstuhlturm durch alle Ebenen, für Behinderte geeignet und außen als Informationsträger genutzt
- die Innenschale, die als dämmende Schicht mit weiß geschlämmten Ziegeln, weißen Gipsplatten und schwarzen Fenstern und Türen aus Stahl die notwendige Wärmedämmung erzeugt
Das Material- und Farbkonzept wurde aus den Befunden und dem Bestand abgeleitet. Beton-Holz, rot-braun, schwedisch-rot und ocker gefasst, gelb-roter Backstein, innen weiß gekalkt, aus der früheren "Ziegelei Hof zum Felde" vom Schloss Bothmer. Skandinavischer Granit und schwarzer Stahl werden übernommen, in der Innen- und Ausstellungsarchitektur weitergeführt und durch schwarzes Leder, Chromstahl und Glas ergänzt.

Deutsches Architektenblatt 04/2008:
Architekturkritiker: Olaf Bartels

Mutmaßungen über Jerichow
Ist Klütz Jerichow? Man könnte es meinen, denn die Worte, mit denen Uwe Johnson Jerichow in seinen Romanen detailliert beschreibt, kennzeichnen auch Klütz: „..., einwärts der Ostsee zwischen Lübeck und Wismar gelegen, ein Nest aus niedrigen Ziegelbauten entlang der Straße aus Kopfsteinen, ausgespannt zwischen einem zweistöckigen Rathaus mit falschen Klassikrillen und einer Kirche aus der romanischen Zeit, deren Turm mit einer Bischofsmütze verglichen wird; lang und spitz läuft er zu, und wie die Mütze eines Bischofs hat er Schildgiebel an allen vier Stirnen.“ (Jahrestage, 28. August 1967). Was sollte Klütz anderes sein als Jerichow, das Johnson in seinem Roman Mutmaßungen über Jakob und vor allem in seinem mehrbändigen Epos Jahrestage als ein Synonym für das ländliche Mecklenburg der Dreißiger- bis in die Fünfzigerjahre zeigt: die kleine Ackerbürgerstadt mit seinen „zweitausendeinhunderteinundfünfzig Einwohnern“ im Hinterland der Ostseeküste am Kreuz der Landstraßen zwischen Dassow und Wismar, Grevesmühlen und Boltenhagen. Auch wenn sich die Einwohnerzahl zwischendurch erhöht und wieder verringert hat, dem Bahnhof die Gleise fehlen und der Tourismus in Boltenhagen oder in den umliegenden alten Gutshäusern heute wichtiger ist als die Landwirtschaft, die Kaufleute weniger geworden sind und ihre Speicher leer stehen, sieht Klütz noch immer so aus wie das alte Jerichow, steht die Kirche noch und grüßt die Turmspitze mit ihrer Bischofsmütze weit über das Land. Dennoch entstand Jerichow als ein imaginärer Ort in der Erinnerung von Uwe Johnson. Mutmaßungen über Jakob schrieb er in Leipzig und Jahrestage, sein Hauptwerk, entstand 1970 bis 1983, ein Jahr vor Johnsons Tod, im amerikanischen, westdeutschen und britischen Exil. 1959, kurz nachdem Mutmaßungen über Jakob im Suhrkamp Verlag in Frankfurt am Main erschienen war, verließ Johnson die DDR und kehrte nie wieder nach Mecklenburg zurück. Jerichow wurde zu einem Erinnerungsbild seiner Heimat und es ist die Heimat seiner Protagonisten. Die Hauptfigur der beiden Romane, Gesine Crespal, verlässt die Stadt als junge Frau, lebt in Frankfurt am Main und geht schließlich noch vor dem Bau der Mauer nach New York. Ihr Vater Heinrich bleibt. Seine Entscheidung für Mecklenburg war schon gefallen: als seine Tochter geboren werden sollte, die Nationalsozialisten an die Macht kamen und seine Frau sich weigerte, mit ihm zurück nach England zu gehen, wo er bereits selbständig als Tischler arbeitete. Er war geblieben, obgleich er den Nazis nur Schlechtes zutraute, hatte den Krieg und den Selbstmord seiner Frau überwunden, war unter sowjetischer Besatzung  Bürgermeister geworden, in Ungnade gefallen, in Gefangenschaft geraten und hatte sie überlebt. So blieb er auch als Gesine ihn inständig bat, mit ihr in den Westen zu gehen. Die Figur Heinrich Crespal verkörpert nicht nur Beharrlichkeit, die in Mecklenburg öfters zu finden ist, sie steht auch für Bodenständigkeit und Heimatverbundenheit. Aber Heinrich Crespal ist nicht die einzige Figur in Johnsons Erzählungen und der Heimatbezug nicht sein wichtigstes Motiv. Dennoch wurde Jerichow durch Johnsons Bücher zu einem zentralen Ort einer Familienchronik und quasi Handlungsstätte der deutschen Geschichte. Wenn Klütz Jerichow ist, dann ist es auch der Ort für eine Erinnerungsstätte an Uwe Johnson und sein Werk. Darüber war man sich in Klütz schon vor einigen Jahren einig und hat 2006 das Literaturhaus Uwe Johnson mit einer Informationsstelle für Touristen und der städtischen Bücherei in einem Gebäude eingeweiht. Bereits 2006 wurde es zum Tag der Architektur vorgestellt. Der Architekt Werner Peters setzte den bis dahin leer stehenden Kornspeicher in Stand und ergänzte neue Fenster und Türen. Die innere Ausstattung entwarfen die Innenarchitekten Rutsch und Rutsch, die auch die Ausstellung in den obersten Stockwerken gestalteten. Reizvoll an diesem Projekt ist nicht nur die Idee, Klütz mit Uwe Johnson und Jerichow eine neue Identität zu geben und ihr mit dem Gebäude und seiner Architektur ein Haus zu schaffen, sondern auch seine vielfältige Nutzung. Touristen können es kurzweilig nutzen, Literaturinteressierte zieht es als Wallfahrtsort unter Umständen an und die Bewohner des Ortes haben eine Bibliothek, die sie regelmäßig besuchen können. Außerdem bietet das Haus Platz für Lesungen, Konzerte, Vorträge oder andere kulturelle Aktivitäten. Man hat im alten Zentrum der Stadt, um die sich im wahrsten Sinne, Geschichten entspannt haben, eine neues Kulturzentrum geschaffen. Baukultur also im besten Sinne die über dies in der Lage ist, Identität zu stiften.

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Die Planer des Projektes

Sanierung des Speichers:
GPK Architekten GmbH
Dipl.-Ing. Werner Peters,
GPK Architekten GmbH und Dipl.Ing. Ivan Peter Chlumský,
Architekten Dipl.-Ing. BDA Chlumský-Peters-Hildebrand Assoziierte GmbH
www.gpk-architekten.de
Innen- und Ausstellungsarchitektur:
rutsch – rutsch Innenarchitektur + Szenografie
Dipl.-Des. Christine Rutsch und Dipl.-Des. Torsten Rutsch
www.rutsch-rutsch.de

Weitere Bilder zum Projekt