Passivhaus

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Fertigstellung 2006
Architekturpreis:
Rostocker Architekturpreis 2007

Wohnhaus mit Passivhausstandart
Fischerbruch 28
18055 Rostock
über das Projekt:
Das Wohnhaus kommt mit ca. 100,-€ Heizkosten pro Jahr aus. Das Gebäude wurde mit Passivhausstandard geplant und realisiert. Die Hülle des Hauses ist 22 bis 30cm stark gedämmt. Jede noch so kleine Wärmebrücke in der Konstruktion galt es auszuschalten. 3-Scheiben-Verglasungen der Fenster ermöglichen solare Gewinne auf der Südfassade. Der Rest-Wärmebedarf des Hauses von ca. 15 KWh/m²a entspricht der Wärmeleistung einer 100W Glühbirne pro Raum. Eine Wasser-Wasser-Wärmepumpe liefert über einen Brunnen die notwendigen Heizungs- und Warmwassertemperaturen. Die Verteilung im Haus erfolgt über Nachheizung der Zuluft der kontrollierten Wohnraumlüftung. Diese gewinnt über einen Gegenstrom-Wärmetauscher mehr als 85% der Abluft-Wärme wieder zurück.
Ein großer Vorteil des Passivhausstandards ist die Steigerung des Wohnkomforts durch sehr gleichmäßige Temperaturen von Luft und Bauteiloberflächen in den Räumen. Dies steigert die Behaglichkeit. Die Lüftung sorgt stets für hygienische Luftverhältnisse. Im gesamten Haus wurde großer Wert auf gesundheitlich unbedenkliche Materialien gelegt - Zellulose und Holzfaserplatten zur Dämmung, Lehmputz, geölte Holzböden. Die Kosten eines Passivhauses liegen 5-8% über denen eines Neubaus nach ENEV -Standard und amortisieren sich innerhalb weniger Jahre durch die eingesparten Heizkosten.

Deutsches Architektenblatt 02/2009:
Architekturkritiker: Olaf Bartels

Klimagerechtes Bauen in Rostock
Das Gebiet um die Straßenzüge Fischer- und Gerberbruch, direkt vor den historischen Stadtmauern Rostocks gelegen, gehört zu den vielleicht interessantesten Stadtgebieten in Norddeutschland. Von Wasserläufen durchzogen diente es einst den Fischern und den Gerbern als Siedlungsgebiet, denn beide Berufsgruppen zogen aus der Nähe zum Wasser, wenn auch in unterschiedlicher Art, erhebliche wirtschaftliche Vorteile. Allerdings mussten die Bewohner bei Hochwasser stets mit der Überflutung ihrer Häuser zumindest im Erdgeschoss rechnen. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Bebauung hier wie überhaupt in Rostock sehr in Mitleidenschaft gezogen. Die Folgen sind noch heute sichtbar. Aus der Vorkriegszeit sind nur noch wenige Bauten erhalten und die Nachkriegsbauten haben zu einer sehr heterogenen Struktur geführt. Nicht, dass sie vor den Zerstörungen homogen gewesen wäre. Bilder aus dieser Zeit zeigen sehr verschiedene Gebäude in unterschiedlichen Formen und Höhen und offensichtlich auch für unterschiedliche Zwecke erbaut.

Erst langsam wird dieses Areal jetzt wieder Stück für Stück neu bebaut und belebt. Dessen Vorzüge liegen auf der Hand: die Nähe zur Rostocker Innenstadt, die gute wasserverkehrstechnische Anbindung, die heute weniger ökonomischen, dafür aber hohen Freizeitwert hat, und die gleichzeitig ruhige Lage. Das Hochwasser bleibt ein Problem, das sich mit fortschreitendem Klimawandel noch verstärken wird.

Der Architekt Christian Blauel ist nicht nur einer der Neusiedlerpioniere, für ihn sind auch die besonderen Bedingungen dieser Lage eine Herausforderung. Im Fischerbruch hat er ein Doppelhaus entworfen und die eine Hälfte, die er selbst mit seiner Familie bewohnt, als Passivhaus und die andere im KfW-60 Standard gebaut. Diese Ausstattungsmerkmale sind für sich genommen bemerkenswert, aber sie werden auf einem noch zu steigernden Niveau bald Standard für das Bauen überhaupt sein müssen. Denn wenn dem Klimawandel wirkungsvoll begegnet werden soll, ist ein Energieverbrauch von 60 KWh/ m²a noch zu hoch und auch ein Passivhausstandard mit einem Verbrauch von 15 KWh/ m²a noch immer ausbaufähig. Schließlich können Neubauten selbst auch Kraftwerke sein und nicht nur unabhängig von Fremdenergie betrieben werden, sondern selbst einen Beitrag zur Energieversorgung leisten.

Viel wesentlicher als der erreichte heiz- und energietechnische Standard erscheint an den Bauten im Fischerbruch 27/28 die Haltung des Architekten, die sich besonders beim Bau der selbst genutzten Haushälfte zeigt. Beide Doppelhaushälften sind städtebaulich gut in den Bestand integriert und wahren dennoch genügend Eigenständigkeit. Das erscheint angesichts der heterogenen Baustruktur nicht besonders schwer erreicht worden zu sein. Dennoch muss mit der Bauhöhe und der Hausbreite Maß gehalten werden, schließlich sind die alten Hausbreiten von manchmal nur fünf Meter schnell überbaut, aber der Bau eines Doppelhauses kommt dieser Maßstäblichkeit sehr entgegen. Eine große Herausforderung stellt die Überflutungsgefahr dar. Die Alten konnten damit leben und die gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Wasser hat die Nachbarschaft zusammengehalten und gefördert.

Technisch ist der Schutz gegen das Wasser heute sehr weit entwickelt. Weiße Wanne und schwerere Flutschutztore vor Fenstern und Türen können das Haus vor dem Wassereinbruch schützen. Aber diese Einrichtungen schotten es auch stark von der Außenwelt ab, auch dann wenn es kein Hochwasser gibt. Christian Blauel hat sich beim Bau seines Hauses für einen fast spielerisch zu nennenden Umgang mit dem Wasser entschieden, das diese Umgebung besonders prägt. Er hat die Überflutung des Erdgeschosses bei Hochwasser kalkuliert und Baumaterialien eingesetzt, die dabei keinen Schaden nehmen und schnell trocknen. Geschieht dies einmal nicht mit der gewünschten Geschwindigkeit, hilft eine eingebaute Heizschlange nach. Im Erdgeschoss hat eine Werkstatt Platz, also eine Nutzung, mit der flexibel auf die Überflutung reagiert werden kann. Die viel sensiblere Wohnnutzung beginnt erst im ersten Obergeschoss und erstreckt sich noch auf ein zweites. Der hohe Grundwasserstand ließ auch den Einsatz einer Wasser-Wasser-Wärmepumpe zu, die dem hoch gedämmten Haus (20-30 cm Wärmedämmung und dreifach verglaste Fenster) zur Wärme- und Warmwasserbereitung dient. Eine kontrollierte Raumbelüftung und die hohe Wärmedämmung halten den Wärmeverlust sehr niedrig und führen in den hohen Räumen (etwa 3 m) zu einem sehr angenehmen Raumklima.

Nach Süden zum Garten und zum Wasser sind große Fensterflächen eingebaut, die einen schönen Bezug zum Grün sichern, aber auch den Energiegewinn durch die Sonneneinstrahlung einfangen. Nach Norden ist das Haus weitgehend geschlossen. Den Ausblicken in das grüne Vorland und auf die Reste der Stadtmauer und die Nikolaikirche sind besondere Fenster und sogar ein Erker gewidmet. So sind die Fassaden vor allem aus den Erfordernissen des Grundrisses heraus entwickelt worden, allein im Erdgeschoss der Frontfassade wurde das Garagentor hinter deren Holzverschalung verborgen gehalten. Auch dies ist eine Maßnahme, um das Haus optisch in der baulichen Umgebung angenehm und Beispiel gebend zu platzieren. Es soll der Eindruck vermieden werden, dass die Häuser eigentlich erst im ersten Obergeschoss beginnen und die Erdgeschosse wegen der Flutgefahr eine untergeordnete Rolle spielen. Sie sind im Gegenteil bewusst bodenständig gebaut und schließen auch damit an die örtliche Tradition an.

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Die Planer des Projektes

Architektur:
Matrix architektur
Dipl.-Ing. Christian Blauel,
Architekt BDA
www.matrix-im-netz.com
Energiekonzept:
IB Ewers, Lübeck
Dipl.-Ing. Henrik Ewers
www.ibe-luebeck.de